Weil die Straßenkatzen so zutraulich sind

Mein 87. von 111 Gründen, Armenien zu lieben

Katze auf der Motorhaube eines Autos
Straßenkatze in Yerevan, Komitas Avenue

Im November 2019 ist im Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag mein Buch

 

111 Gründe, Armenien zu lieben

Eine Liebeserklärung an das schönste Land der Welt

 

erschienen. Dank der Erlaubnis des Verlags darf ich auf meinem Blog einige Texte daraus veröffentlichen.

Im zweiten Teil geht es weiter mit einem ganz klassischen Internet-Thema, Katzen:


Deutsche, die ein paar Jahre in Yerevan leben, kommen immer mit einer armenischen Katze nach Hause zurück, das war eine der Warnungen, die man mir während meiner Vorbereitung ans Herz legte. Das stimmte bei mir zwar nicht, aber grundsätzlich ist da schon etwas Wahres dran. Der Freund, der mir dies erzähle, reiste nämlich schließlich selbst mit zwei Katzen wieder aus, vermutlich zum Leidwesen seiner deutschen Katze zu Hause. 

 Shadow, armenischer Herzensbrecher, der inzwischen in Deutschland lebt, beim Bewachen meiner Bürotür in Yerevan
Shadow, armenischer Herzensbrecher, der inzwischen in Deutschland lebt, beim Bewachen meiner Bürotür in Yerevan

Bei jeder Straßenkatze, die ich sah, hielt ich mich daher anfangs sehr zurück, seine Warnung vor dem besonderen Charme der armenischen Katzen stets im Ohr. Nur mit der Handykamera wollte ich mich ihnen ein wenig nähern.

Bei den Katzen rund um meine Wohnung klappte das auch. In dem Wohnviertel in der Nähe der Metroendhaltestelle Barekamutyun gibt es sowohl viele Lebensmittelläden und sogar eine kleine Markthalle als auch viele Straßenkatzen, die sozusagen miteinander in Symbiose leben. Die Katzen werden von den Händlern geduldet, manchmal auch gefüttert. Im Gegenzug kümmern sie sich um alles andere Essbare in der Umgebung, inklusive der immer offenen Mülltonnen, und halten so weiteres Ungeziefer in Schach. 

Im tiefsten Winter sind sie von der Straße verschwunden und ich habe mich gefragt, ob sie den armenischen Winter mit bis zu minus 15 Grad in Yerevan irgendwie überleben können. Die meisten konnten es, ab Ende Februar kamen sie, zerzaust, verdreckt und abgemagert, aus ihren Verstecken und wärmten sich in der Mittagssonne. Wirklich zutraulich waren diese Markt-Katzen aber nicht, auch nicht die privilegierteren und besser genährten, die sich rund um eine Zoohandlung eingerichtet hatten. Von ihnen drohte im Hinblick auf eine Charme-Offensive also keine allzu große Gefahr.

Dies sieht in der Innenstadt von Yerevan etwas anders aus. Dort gibt es auch viele Straßenkatzen, einige davon haben ihre Stammplätze und gehören quasi schon zum Inventar von Cafés, Restaurants oder Weinbars. Eine besonders wohlgenährte weiße Katze im Perser-Look etwa postierte sich ab und zu direkt neben dem Eingang der armenischen Salatbar Smak. Angesichts der Bandbreite armenischer Salate und anderer Leckereien, die dort angeboten werden, blieb für die Türsteherin offensichtlich noch genügend übrig. 

Nicht weit weg von Smak, vor dem italienischen Lokal Aperitivo, muss die Katze des Hauses nicht mehr stehen oder auf dem kalten Stein hocken, direkt neben der Tür wartet ein Kistchen, ausgepolstert mit einer roten Plüschdecke, auf die grau getigerte Katze. Sie ist auch eines der Beispiele dafür, dass es manchmal kaum möglich ist, Yerevaner Straßenkatzen abzulichten. Denn sobald ich in die Knie gehe, um sie vorteilhaft aufzunehmen, springt sie auf, läuft mauzend auf mich zu und hüpft mir auf den Schoß. Wenn ich in Begleitung unterwegs bin, dann kann ich mich wenigstens noch mit Katze auf dem Mantel fotografieren lassen. Das waren wohl die Momente, die mein Freund meinte, in denen man fest entschlossen bleiben muss, um das Tier nicht gleich mitzunehmen. Im Falle des Aperitivo führt die Katze aber ja ein Straßen-Luxus-Leben, das macht die Sache etwas leichter. 

Natürlich gab es auch im Café des Lover’s Park, in dem ich oft meine Mittagspause verbrachte, nicht nur Stammgäste, sondern auch Stammkatzen. Auch diese überlebten stets irgendwie die Winterpause und tauchten pünktlich zur Wiedereröffnung des Cafés im Februar wieder auf, um den Gästen um die Beine zu streichen und auf etwas Essbares zu hoffen. In vielen anderen Straßencafés in Yerevan kann dir das ebenso passieren.

Neben den Markt- und Café-Katzen gibt es eine dritte, noch kuriosere Sektion von armenischen Straßenkatzen, die Haltestellen-Katzen. Darauf macht mich die Betreiberin der Facebook-Seite „Cats of Yerevan / Երևանի Կատուները“ aufmerksam. Das ist eine meiner Lieblings-Facebook-Seiten, jeden Tag werden dort schöne, witzige, manchmal auch traurige Bilder von Straßenkatzen aus Yerevan veröffentlicht, die von einigen der über 2.600 Fans der Seite stammen. Die Administratorin erzählt mir, dass eine lokale Katzenberühmtheit sie auf die Idee brachte, diese Seite einzurichten. Diese Katze lebte an einer Bushaltestelle in Monument, einem höhergelegenen Stadtteil nördlich der Kaskade. Die Menschen liebten diese Katze sehr, streichelten sie, manche kauften ihr Milch oder Sauercreme am Kiosk und fütterten sie damit.

Eine andere stadtbekannte Haltestellen-Katze lebt auf dem Bahnsteig der Metrohaltestelle Sassountsi David, eine überirdische Station direkt neben dem Bahnhof. Ich habe diese Katze dort auch gesehen, wie sie auf einer der Steinsitzbänke in der Sonne liegt und erstaunlich stoisch dem hektischen Treiben auf dem Bahnsteig zusieht. 

Die armenische Katzenliebhaberin erzählt mir weiter, dass sie zu dieser Seite von den Istanbuler Straßenkatzen inspiriert wurde. Denn dort sind die Katzen besonders wohlgenährt, gepflegt, dazu gelassen und entspannt mitten im Großstadt-Trubel. 

So eine Atmosphäre wünscht sie sich ebenso für die Yerevaner Katzen. Wobei auch die Armenier oftmals ein Herz für Straßenkatzen haben, sie streicheln und bisweilen füttern. Ob die Liebe so weit gehen muss, das Tier gleich mit nach Hause zu nehmen, muss dann jeder für sich selbst entscheiden.

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