Stippvisite im Nachbarland
Letztes Wochenende führten mich meine Dienstgeschäfte ins Nachbarland Georgien. Kein schlechter Ausgleich für Wochenendarbeit. Meine Kollegin und ihr Mann wollen mit dem Auto nach Tblissi fahren, da schließe ich mich doch gerne an.
Die Woche davor waren wir mit Reisevorbereitungen beschäftigt. Unter anderem rief drei Tage vor unserer Abreise das Hotel aus Tblissi an, sie hätten einen Wasserschaden und wir müssten uns eine neue Unterkunft suchen. Gar nicht so einfach, wenige Tage vor der Ankunft in so einer beliebten Stadt noch ein günstig gelegenes Hotel zu finden. Aber meine Kollegin treibt trotzdem etwas Passendes auf. Des Weiteren erörtert sie mit anderen Leuten, die häufiger die Strecke nach Tblissi mit dem Auto fahren, die Vor- und Nachteile der verschiedenen Routen, vor allem im Hinblick auf die Sicherheit. Die kürzeste Route führt direkt an der aserbaidschanischen Grenze vorbei und dort wird scharf und vor allem weit geschossen. Also wählen wir den Umweg.
Als wir Freitag Nachmittag aufbrechen, ist bestes Reisewetter, wir sehen die vier Gipfel des Aragats in aller Pracht und fahren durch die herbstliche armenische Berglandschaft, bis wir, kurz bevor es dunkel wird, die georgische Grenze erreichen.
Abends treffen wir dann die anderen Kollegen in netter Runde und ich bekomme einen ersten Eindruck dieser quirligen Metropole. Wir besuchen ein uriges Restaurant und nehmen den Absacker auf einer Dachterrasse – mit Wolldecken allerdings.
Samstag Abend nach der Arbeit habe ich dann noch mehr Gelegenheit, Tblissi kennen zu lernen. Wir folgen unserem Führer drei Stunden lang durch die Stadt und staunen über die Kuriositäten, die er uns erzählen kann. Vieles davon hat mit den Bauten der Stadt zu tun, denn manche sind zwar wunderbar beleuchtet, aber trotzdem halbfertig und leer, etwa das georgische Parlament. Andere Bauten bestehen sogar nur aus Fassaden, wie Filmkulissen! Und bei wieder anderen Gebäuden, wie etwa einer alten Karawanserei, ist man als kunsthistorisch interessierter Mensch ganz froh, dass die Renovierungswut noch nicht zugeschlagen und das alte Gebäude in einen Konsumtempel verwandelt hat.
Wir erfahren auch, dass derzeit das Innere vieler georgischer Kirchen neu ausgemalt wird. Die jahrhundertealten Ikonen werden dabei nicht restauriert, sondern überpinselt. Damit sind wohl nicht alle Georgier glücklich.
Unser Rundgang endet mitten im jährlichen Stadtfest: Zwischen einer riesigen Bühne und Fressbuden aller Art reiten ab und zu auch stolze Georgier in der Menge auf und ab.
Wir landen schließlich in einem gemütlichen Kellerlokal und stürzen uns auf eine riesige Schüssel georgischer Spezialitäten, die haben wir uns nun verdient. Mit georgischem Weißwein schmeckt alles noch ein wenig besser.
Sonntag Nachmittag fahren wir dann zurück in Richtung Yerevan. Auch in Georgien sind Schafherden unterwegs. Die Landschaft sehe ich nun zum ersten Mal im hellen, es wirkt wirklich ganz anders als der gebirgige Norden Armeniens, wie mir meine Kollegin am Freitag zuvor gesagt hatte. Die Landschaft wellt sich sanft, sie wirkt weit, grün und fruchtbar, wir kommen an vielen Dörfern und Weilern vorbei. Am Straßenrand wird neben den üblichen Feldfrüchten auffallend viel Persil und anderes Waschmittel verkauft, das ist in Georgien wohl billiger als in Armenien.
Wieder schaffen wir es noch im Hellen über die Grenze. Es ist gerade dunkel und wir fahren auf einer wenig befahrenen Straße durch schmalen Schluchten, da passiert es: Unser Auto streikt! Diverse Probleme tauchen auf, die zunächst keinen Sinn ergeben. Aber der Mechaniker in Yerevan ist telefonisch erreichbar, auf Englisch wird über den Zustand des Wagens konferiert. Schnell ist klar, dass wir nicht weiterfahren können. Der Keilriemen ist nicht nur gerissen, auch eine Welle, über die der Riemen läuft, ist gebrochen. Und nun???
Der Mechaniker weiß Rat und hat viele Freunde. Er telefoniert ein wenig herum und kurz danach beginnt die armenische Hilfsmaschinerie anzulaufen. Wir schaffen es kaum, ein Warndreieck in der Dunkelheit aufzubauen, da andauernd das Telefon klingelt und wir immer wieder erklären, wo wir sind und wohin wir möchten. Zwischendurch ruft eine besorgte Armenierin an, nur um zu fragen, ob uns denn sehr kalt sei? Wir sollten aufpassen, dass wir uns keine Erkältung holen! Aber zum Glück hat meine Kollegin vorgesorgt, wir haben nicht nur Verpflegung, sondern auch Decken dabei. Ich kann wenigstens noch eine Taschenlampe beisteuern. Schließlich ist ein Abschleppwagen aufgetrieben und auch ein Taxi, das uns nach Yerevan bringt.
Auf der Rückfahrt lerne ich dann noch, dass alle Taxis in Armenien mit Gas fahren, das ist viel billiger als Benzin. Denn zwischendurch halten wir an der Gastankstelle. Dort müssen die Passagiere nicht nur den Wagen verlassen und außerhalb des Geländes warten, das Ganze dauert auch noch ca. 20 Minuten. Die kommen uns in der Kälte der armenischen Provinz endlos vor. Aber irgendwann geht es dann doch weiter und um ein Uhr nachts bin ich dann endlich, endlich zu Hause angelangt.
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Peter (Montag, 26 Oktober 2015 15:07)
Hallo Silvia,
so langsam hört sich das für mich eher nach (Abenteuer-)Urlaub an, als nach Arbeit ;-). Bin neidisch .... und freu mich für Dich.
Liebe Grüße,
Peter
Frauke (Dienstag, 27 Oktober 2015 16:50)
Das war ja eine abwechslungsreiche Dienstreise! Du bekommst ganz schön etwas zu sehen...
Interessant, wie in Armenien mit Missgeschicken wie der Autopanne umgegangen wird. So viel Einsatz wäre bei uns nicht selbstverständlich. Ich wünsche Dir weiterhin eine spannende Zeit.